Jetzt stellen Sie sich doch bitte mal vor, Sie haben sich Pest und Cholera gleichzeitig eingefangen, da helfen keine Medikamente, da hilft nur Bettruhe. Und, sobald Sie wieder kriechen können, leichte Bewegung an frischer Luft. Empfiehlt mein Hausarzt immer gerne. Jahahahaaaa, aber was machen Sie denn, wenn Sie in der Mitte einer Großstadt leben? Leichte Bewegung an frischer Luft?
In Berlin am Tauentzien vielleicht, oder im Stuttgarter Talkessel? Wo bitte gibt es da frische Luft? Oder sollen Sie vielleicht erst anderthalb Stunden mit irgendeiner S-Bahn Richtung frische Luft fahren, um sie herum allerlei verrotzte Gestalten, die Pest und Cholera im Sekundentakt ausniesen und -husten? Na, ich weiß ja nicht.
Ich hatte das Vergnügen am vergangenen Wochenende, da hatte ich noch keine Pest und keine Cholera, aber ich war in Berlin, mittendrin, in der Berliner Luft, von deren Qualität ja schon die Schöneberger Sängerknaben schwärmten. Der Himmel über Berlin weiß, warum. Offenbar sind die nie aus ihrem Schöneberger Sängerheim rausgekommen, vermutlich waren die noch nie am Kudamm, Kranzlereck. Oder am Tauentzien. Da stinkt es aus allen verfügbaren Rohren, eine Mischung aus pupwarmer Kaufhausabluft, Billigdeodoranten und Abgasen. Denken Sie sich noch eine Reihe von zwanzig viel zu engen Umkleidekabinen bei hochsommerlichen 40 Grad im Schatten dazu, mit schwitzenden Menschen, die sich schnaufend an- und ausziehen, dann kommen Sie der Sache näher.
Also, wie dem auch sei: Ich habe mir da wirklich Gedanken gemacht, von wegen der frischen Luft. Wie machen die das? Wie bekommt denen das? Wie werden die jemals gesund, bei Pest und Cholera und dem dringenden Wunsch nach frischer Luft? Ich habe keine Ahnung.
Ich habe bloß den üblichen Rat des Arztes befolgt (ohne ihn überhaupt konsultiert zu haben), und führe Pest und Cholera derzeit täglich kurz an der frischen Luft aus. Gemeinsam mit den Hunden und anderen Patienten. Ohne großen Aufwand, direkt vor der Haustür. Und ich bin sehr dankbar dafür. Und hoffentlich bald wieder gesund.