Wir haben da mal wieder was gelernt, über Traditionen auf dem Lande. In der Silvesternacht. So gehen wir also um einiges Wissen bereichert ins Neue Jahr, das kann ja nie schaden.
Tradition Nummer 1 war uns bislang tatsächlich völlig unbekannt, obwohl wir es nach der Erfahrung vom vergangenen Jahr eigentlich hätten wissen können, aber verdrängt hatten. Die Tradition Nummer 1 besagt angeblich, dass zu später – oder besser früher – Stunde sternhagelvolle leicht angetrunkene Halb-Kinder und Jugendliche an all jenen Häusern Sturm klingeln, in denen noch ein Licht brennt. Das war bei uns der Fall, und es war nach 2 Uhr. Vor der Haustür eine unüberschaubare Menge grinsender Gestalten, die mit etwas schwerer Zunge freundlich so eine Art Frohes Neues wünschen, das zumindest habe ich mir aus dem Gehörten zusammengereimt, und die um alkoholhaltige Getränke bitten.
Wir wollen Schnaps!, sagte einer etwas zu laut und stimmbrüchig kieksend und leitete damit zu Tradition Nummer 2 über. Aber nicht so einen Scheiß-SPD-Schnaps! Ich habe, um mir und den verbliebenen Gästen die Bande vom Hals zu halten, kurzerhand behauptet, bei uns im Haus gäbe es überhaupt nur Scheiß-SPD-Schnaps, nie habe es hier etwas anderes gegeben, es entstand ein Murren und ein zögerliches Hin- und Her-Wanken Richtung Hauseingang, das ich unhöflicherweise mit einem abrupten Ja, tut mir leid, Jungs!, beendete. Und die Tür schloss, um mich wieder den tatsächlich eingeladenen Gästen zu widmen.
Wir haben den Rest der Nacht dann damit verbracht, darüber zu debattieren, ob sich das Scheiß nun auf die SPD oder auf den Schnaps bezog, einige Gäste waren der Meinung, ersteres sei eindeutig der Fall, ganz unabhängig von der Qualität des hochprozentigen Getränkes. Manche Dörfer hier waren doch so schwarz, dass man beim Durchfahren an einem Sommertag das Licht anschalten musste, warf einer in die Runde. Da trinken die doch keinen Sozi-Schnaps.
Ich erinnerte mich dann: Ich besaß tatsächlich mal eine Flasche Selbstgebrannten vom hiesigen SPD-Landtagsabgeordneten, die nur noch viertelsvolle Pulle hatte ich ein Jahr zuvor in meiner Not der angeheiterten Meute aus dem Fenster gereicht, um mir, siehe oben, den ungebetenen Besuch vom Leib zu halten. Daran hatten die Jungs sich , im Gegensatz zu mir, doch erinnert, so hackevoll können sie also gar nicht gewesen sein. Allein der SPD-Name auf der Schnapsflasche hatte ihnen offenbar den Genuss verleidet, obwohl der Schnaps nach Kennermeinung wirklich etwas richtig Feines war.
Also, bitte. Nun habe ich für die kommenden Jahreswechsel und ähnliche Gelegenheiten einen cleveren Trick parat. Bei uns gibt es ab heute nur noch SPD-Schnaps. Oder grünen Tee. Vielleicht auch ein paar Müsliriegel, garantiert öko und ohne Gentechnik, ist klar. Linksdrehendes Naturjogurt. Quinoa-Bratlinge, Grünkernchips und einen 68er Willy-Brändy. Gerne auch einen schweren roten Gerhard Schröder aus dem Rheingau. Im schlimmsten Fall einen bappsüßen Claudia-Rothkäppchen-Sekt oder eine Künast-Sauerschorle. Morgens um 2 Uhr wird gefälligst gegessen und getrunken, was auf den Tisch kommt.
Und dann war ich heute auch noch draußen. Herrlicher Tag. Neujahrsspaziergang. Auch sone Tradition. Außerdem noch eine Radtour mit dem Hund bei minus 4 Grad. Wollte ich Ihnen nicht vorenthalten. Jetzt brauche ich aber erst mal einen kräftigen Lafontaine, Mosel-Saar-Ruwer, Jahrgang 85. Zum Aufwärmen, naja, Sie wissen schon.